Carola Neher – Spurensuche

Carola Neher ist für den Kulturring keine Unbekannte. Ihr Leben endete zwar 1942, dennoch werden wir jedes Mal an sie erinnert, wenn unsere Wege in die Carola-Neher-Str. 1 führen, ins Kulturforum Hellersdorf, das der Kulturring seit vielen Jahres mit kulturellem Leben erfüllt. Schon einige Male hat der Verein mit speziellen Veranstaltungen im Haus an die außergewöhnliche Persönlichkeit Carola Nehers erinnert. Nun ist es eine Ausstellung an einem anderen Ort in Berlin, die auf besondere Weise mit dem Leben Carola Nehers vertraut macht. Die Präsentation des Deutschen Theatermuseums in München findet vom 29. Oktober bis 11. Dezember im Literaturhaus in der Fasanenstraße 23 statt. Gern laden wir alle unsere Interessenten zum Besuch ein und veröffentlichen hier als Vorschau die Pressemitteilung des Hauses. (I.K.)

»Wir Schauspielerinnen sind erst auf der Bühne in unserem Element - wir stolpern nur im Leben.« Carola Neher, 1927

Die für Brecht so erfolgreiche Premiere der »Dreigroschenoper« fand am 31.8.1928 zwar ohne Carola Neher statt - ihr Ehemann, der Dichter Klabund, war kurz zuvor gestorben. Doch mit der Wiederaufnahme des Stücks 1929 und mit G.W. Pabsts Verfilmung war Carola Neher mit der Rolle der Polly auf dem Zenit ihrer Karriere.

Am 3.11.1900 in München geboren, hatte sie bereits 1922 kleine Auftritte an den dortigen Kammerspielen, wo damals Brecht als Dramaturg arbeitete. Nach Stationen in der Provinz brachten vor allem die ganz auf sie zugeschnittenen Stücke Klabunds rasch den Durchbruch: An der Seite der berühmtesten Schauspieler trat die Neher, von der Kritik bejubelt, ab 1926 an allen wichtigen Bühnen Berlins auf. Von Georg Kaiser, Bronnen, Feuchtwanger, Wedekind, Benn, Heinrich Mann, Arnold Zweig, Hasenclever … verehrt, waren es dann vor allem Brecht (1929 »Happy End«, 1932 Hörstück »Die heilige Johanna der Schlachthöfe«) und der Musiker Hermann Scherchen, die Carola Nehers politische Urteilskraft beeinflussten.Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten endete Carola Nehers künstlerischer Erfolg abrupt. Im Sommer 1933 mit ihrem neuen Ehepartner, dem Kommunisten Anatol Becker, nach Moskau emigriert, wurde ihr im November 1934 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Kurz darauf zogen die Stalinistischen »Säuberungen« sie in den Abgrund: Ihr Urteil vom Juli 1937 lautete auf 10 Jahre Haft, Anatol Becker wurde erschossen. An Typhus erkrankt, starb Carola Neher am 26.6.1942 im Gefängnis von Sol-Ilezk (Grenze zu Kasachstan).

Seit 1992 gibt es in Berlin-Hellersdorf eine Carola Neher-Straße, Ende 2013 wurde auf Anregung von MEMORIAL Deutschland auch in ihrer Geburtsstadt München eine Straße nach Carola Neher benannt, in diesem Zusammenhang entstand die von Petra Kraus (Deutsches Theatermuseum) und Micha Neher (Neffe Carola Nehers) realisierte Ausstellung. Georg Becker, Carola Nehers und Anatol Beckers 1934 geborener Sohn, der seit 1975 in Augsburg lebt, hat jahrzehntelang ein umfangreiches Archiv zusammengetragen, das hier erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und das Schicksal Carola Nehers vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte vergegenwärtigen - u.a. rund 80 Fotografien aus Familienbesitz sowie das berühmte Carola Neher-Portrait von Rudolf Schlichter (1929), Carola Nehers Kostüme von Klabunds »Der Kreidekreis« (Rolle der Haitang; 1925) und von der »Dreigroschenoper«; Bühnentexte mit Widmungen Klabunds und Ödön von Horváths, persönliche Memorabilien wie ihr Reisegrammophon samt Schellackplatten.

Die Ausstellung dokumentiert auch die künstlerische Würdigung von Carola Neher in den Nachkriegsjahren, u.a. in Ariane Mnouchkines Bühnenstück nach Klaus Manns Roman »Mephisto« (1979) und in Jorge Semprúns Theaterstück »Le retour de Carola Neher« (1995). Im Herbst 2016 erscheint das von MEMORIAL Deutschland initiierte Buch »Carola Neher. Ein Jahrhundertschicksal« (Lukas Verlag).

Anlässlich der Ausstellung erarbeiten Studenten der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« Berlin ein Carola-Neher-Programm, »Kalte Füße, heißes Herz« (Konzept/Einstudierung Ines Geipel), das am 5.11.2016 im Literaturhaus Berlin aufgeführt wird. Auch im Berliner Ensemble findet im Herbst eine thematische Lesung statt. Organisiert von MEMORIAL Deutschland, findet am 5.11.2016 im Literaturhaus Berlin eine öffentliche Tagung zu Carola Neher statt, mit den Theater- und Stalinismus-Experten Anne Hartmann (Bochum), Bettina Nir-Vered (München), Irina Scherbakowa (Moskau), Reinhard Müller (Hamburg) und Klaus Völker (Berlin).

Literaturhaus Berlin,

Fasanenstraße 23, 10719 Berlin

Ausstellungseröffnung:

28. Oktober 2016, 20 Uhr, Eintritt frei

Öffnungszeiten:

29. Oktober bis 11. Dezember 2016

Mittwoch bis Freitag 14-19 Uhr, Samstag und Sonntag 11-19 Uhr, Eintritt: 5 € / erm. 3 €

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