Harri Molkenthin: 1929-2009, eine Retrospektive

Irene Molkenthin & Doz. Dr. habil. Werner Baumgart

Berlin ist nicht nur Hauptstadt Deutschlands, Berlin ist auch eine Hauptstadt der Kunst, der Kreativität und damit natürlich aller kreativen und kunstschaffenden Menschen. Hier findet jede und jeder Ambitionierte, künstlerisch Tätige, egal ob professioneller oder Laienkünstler, ob etabliert oder erst auf dem Weg zum Profi, ob jung oder alt, ein optimales, produktives Umfeld. Berlin ist ein fruchtbarer Nährboden für jede Form künstlerischen Schaffens. Deshalb zieht Berlin seit Jahren viele hoffnungsvolle Talente, aber auch herausragende Könner aus allen Ländern der Welt geradezu magisch an. Und Berlin profitiert von diesen kreativen Menschen im Allgemeinen, von der Kreativwirtschaft im Besonderen. Was wäre Berlin heute ohne seine Künstler, ohne diesen ungemein kreativen Wirtschaftszweig? Deshalb fördert der Berliner Senat und alle Bezirksämter sowie die vielen ehrenamtlichen Kunstvereine die Kunst, die Kreativwirtschaft mit allen ihnen gebotenen Möglichkeiten, mit Fördergeldern, mit günstigen Arbeitsmöglichkeiten, mit zum Teil mietfreien Wertstätten und Ateliers und mit der Organisation von Ausstellungen, um die mannigfaltige Kunst in über 400 professionellen und ebenso vielen nicht professionellen Galerien, Ateliers, Werkstätten und an sonstigen interessanten Orten zu präsentieren.

Der Kulturring in Berlin e.V. hat sich seit seinem Bestehen die Förderung der bildenden Kunst und des künstlerischen Engagements seiner Mitglieder und Freunde mit dicken Lettern auf die Fahnen geschrieben. Und da ist es kein Zufall, dass er als einen besonderen Höhepunkt in diesem Sommer eine Retrospektive des Lebenswerks von Harri Molkenthin zeigt. Harri Molkenthin, geboren im Februar 1929 in der Lichtenberger Plonzstraße, wurde 80 Jahre alt, er starb im August 2009 in seiner Wohnung nahe dem Fennpfuhl. Die Retrospektive umfasst die sehr unterschiedlichen Ergebnisse einer über 60jährigen künstlerischen Tätigkeit – vom Selbstbildnis aus dem Jahr 1946 bis zu Landschaftsmotiven aus 2008, von Grafiken, Siebdrucken bis hin zu Kupferstichen.

Nach seinem Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, das er 1953 mit dem Diplom im Fach Illustration abschloss, war Harri Molkenthin als freier Grafiker für Presseorgane, Verlage, Organisationen und öffentliche Einrichtungen tätig. Daneben unterrichtete er sowohl im „Haus der Jungen Talente“ (heute: Podewil) als auch an anderen Orten Jugendliche und Erwachsene. Vielen von ihnen hat er neben handwerklichen Grundlagen für eine eigene kreative Tätigkeit auch Kunstverständnis und Lebenserfahrung vermittelt. Molkenthins Liebe galt der Druckgrafik – Einflüsse der von ihm sehr geschätzten Lehrer Prof. Arno Mohr (Malerei, Grafik), Prof. Heinrich Ilgenfritz (Druckgrafik, Kupferstich), Prof. Franz Gehrig-Targis (Malerei, Grafik, Bildhauerei, Kunstpädagogik), Prof. Wilhelm Tank (plastische Anatomie) sind hier und da in den Arbeiten zu spüren, auch wenn sich eine ganz eigene künstlerische Handschrift entwickelte. Zu den von ihm angewandten Techniken gehören Holzschnitt, Siebdruck, Kupferstich und die ganze Palette der Radierungen. Dabei experimentierte er und entwickelte ein Verfahren, das dem Steindruck sehr nahe kommt. Als guter Beobachter und Zeichner erwies sich Harri Molkenthin in seinen Porträts, Stadtlandschaften, Alltags-Szenen, in Tierzeichnungen und figürlichen Darstellungen. Stimmungsvolle Landschaftsbilder geben Urlaubserlebnisse wieder. In seinen späteren Lebensjahren wandte er sich einer abstrakteren Darstellungsweise zu – Farben, Formen und Techniken wurden spielerisch kombiniert, womit er reizvolle Effekte erzielte.Während im Rahmen der Retrospektive in der Galerie der Sozialkasse des Baugewerbes im Juli durch die ebenfalls gezeigten Arbeiten der Würzburger Keramikerin Gudrun Kühlbrandt und der Berliner Papierkünstlerin Barbara Rupprecht auch interessante Einblicke in deren künstlerisches Schaffen gegeben wurden, erwarten den Besucher der Galerie Neue Kapelle im Ev. Krankenhaus Elisabeth Herzberge (KEH) noch bis 15. September eindrucksvolle abstrakte Kompositionen von Harri Molkenthin, die in dem großzügigen Raum gut zur Geltung kommen. Ergänzt werden sie durch Beispiele für die vom Künstler angewandten Techniken: derbe Holzschnitte, zart wirkende Radierungen mit Szenen aus Berliner Bezirken, schöne Landschaften. Das erwähnte Selbstbildnis von 1946 zeigt den jungen Künstler in dem Jahr des Beginns seines Studiums, ein weiteres Porträt stellt eine Nachbarin in Friedrichshain vor, beides Siebdrucke. Für mehr wäre an dieser Stelle im KEH kein Platz. Die Präsentation anderer Arbeiten könnte einer späteren Gelegenheit vorbehalten werden. Denkbar wäre ein Projekt mit dem Titel „Der schöne Mensch“ - Harri Molkenthin hat jahrelang Unterricht im Aktzeichnen gegeben und auch auf diesem Gebiet Sehenswertes hinterlassen.

Für dieses Mal gebührt dem Kulturring, seinen Mitarbeitern und Partnern Dank für die gelungene Vorstellung eines Künstlers, der es verdient hat, den heutigen Kunstinteressenten umfassend nahe gebracht zu werden. Besonderer Dank gebührt der Witwe, Frau Irene Molkenthin, die diese Ausstellung mit ihrem Engagement erst möglich gemacht hat. Seit 2009 ordnet und sichert sie den Nachlass des Künstlers, hat dabei einen sehr schönen und übersichtlichen Katalog seiner wichtigsten Werke erstellt und initiiert seit 2010 Ausstellungen. Sie leistet so in liebevoller und bewundernswerter Art einen wichtigen Beitrag, das künstlerische Schaffen Harri Molkenthins in lebendiger Erinnerung zu halten. Denn Harri Molkenthin war nach Einschätzung von Stefan Holtz (Katalog 2016), „im besten Sinne des Wortes einzigartig, besonders und einmalig als Partner, Freund, Maler, Grafiker, Illustrator, Fotograf, Lehrender und bis ans Ende seines Lebens Entdeckender“.

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