Begeisterung & Arbeit

Bernhard Pelzl, Ingo Knechtel

Eine bunte Kinderschar drängelt sich im engen Treppenhaus. Die Erzieher tun ihr Bestes, alles so geordnet wie möglich aussehen zu lassen. Schließlich wollen noch andere Erwachsene auf und ab im Haus. Solch ein Gewimmel möcht ich sehen ..., kommt einem in den Sinn. Doch es ist bei weitem kein einmaliger (Oster-)Spaziergang. Hier ist nahezu Dauerbetrieb. Der Medienpoint in der Reinickendorfer Provinzstraße ist eine wohlbekannte Adresse bei den umliegenden Kitas. Gern kommen die Gruppen in die Einrichtung des Kulturrings, um gemeinsam Bücher kennenzulernen, um zu basteln, um Musik zu hören und auch selbst zu musizieren und zu singen.

Hinter dieser Begeisterung steckt viel Arbeit. Ja, das kostet manchmal auch viel Nerven. Aber ein freudiges Lachen der Kleinen, ihr Interesse und ihre Begeisterungsfähigkeit sind ein schöner Lohn für alle Mühen. Andreas Molter, 52 Jahre alt, im Berliner Wedding aufgewachsen, kennt diese Mühen. Für ihn war es nicht immer einfach im bisherigen Leben. Ursprünglich wollte er Landschaftsgärtner werden. Die Gesundheit spielte nicht mit, und so musste er seine Passion bescheidener, im Garten der Familie ausleben. Nach einer abgebrochenen Lehre als Einzelhandelskaufmann durchlief er schließlich eine Ausbildung zum Altenpfleger. Die so erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten kamen ihm bei der aufopfernden Pflege seiner eigenen Mutter und einer Tante zugute. Wegen einer schweren Erkrankung musste er jedoch 1999 seinen Beruf aufgeben. Anfang der 2000er Jahre verschlug es ihn zu einer Beschäftigung in die Bibliothek des Landearchivs. Nur wenige Jahre später, im Sommer 2006, gehörte Molter zu den Mitstreitern, die als erste am Kulturring-Standort in der Provinzstraße Aufbauarbeit leisteten. Er war dort im Laufe der Zeit in den verschiedensten Projekten und als Teilnehmer an allen möglichen sog. Maßnahmen tätig, als ABM-, BEZ-, BFD-, MAE-Teilnehmer. Egal als was, er war immer er selbst: fleißig, kreativ und unermüdlich, um den Medienpoint mitsamt seinem Bastelangebot für Kita-Gruppen aufzubauen. Dabei ist er ein absoluter Team-Player, ein Traum für die Kulturring-Leitung, wenn es darum geht, Veranstaltungen vorzubereiten, wie die Kinderkunstmeilen (von 2006 bis 2015). Die Kontakte zu Kitas und Schulen zur Akquise von Ausstellungsobjekten kosteten oft viele Stunden und erforderten eine koordinierende Hand. Jemand wie Andreas Molter kennt keine Pausen während irgendwelcher Maßnahmen; für ihn zählt nur das Ziel, und dafür tut er alles, eben auch ganz selbstverständlich ehrenamtlich für „seinen“ Medienpoint.Bei allen Außenveranstaltungen ist er, tatkräftig mit anpackend, zur Stelle, ob bei der Langen Nacht der Familie in der KreativFabrik oder beim Adventsmarkt auf dem Anger Alt-Reinickendorf, beim Lettefest auf dem Letteplatz, beim Kiezfest am Schäfersee und zuletzt beim „SPD-Fest“ auf dem Franz-Neumann-Platz, wo sich der Medienpoint Reinickendorf mit einem Bastelangebot für Kinder und unentgeltlichen Medien für Jung und Alt präsentierte. Andreas Molter sorgte stets zuverlässig für den Hin- und Rücktransport des Materials mit einem privaten PKW. Mindestens einmal pro Woche schaut er bei seinen ehemaligen MitstreiterInnen in der Provinzstraße vorbei, lässt folglich den Kontakt nicht abreißen. Irgendwie gehört Andreas immer dazu...

Was ist das für ein Mensch, frage ich mich. Immer für andere da sein und doch auch mit sich selbst zufrieden. Oder vielleicht gerade deshalb? Was steckt für ein Charakter hinter dem Menschen Andreas Molter? Hinter seinem freundlichen, höflichen und aufgeschlossenen Wesen findet sich eine innere Ruhe, Gutmütigkeit und auch viel Humor, gepaart mit feinem Wortwitz. Er wird rasch zu einem liebgewonnenen Mitmenschen. Durch sein ästhetisches Gespür, durch eine treffsichere Einschätzung anderer Menschen, viel Toleranz und eine gute Auffassungsgabe ist er stets ein angenehmer Gesprächspartner mit den vielseitigsten Interessen. Nichts spürt man von den z.T. erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen. Nie bringt er sie ins Spiel, eigenes Schicksal-Beklagen, Selbstmitleid ist nicht Seins. Anwandlungen von liebenswürdiger Tolpatschigkeit machen ihn nur noch sympathischer, zumal Andreas sie gelassen akzeptiert, ja sich oftmals selbst darüber lustig macht. Was für eine Persönlichkeit! Wer über sich selbst lachen bzw. sich über sein Tun amüsieren kann, für den bildet das liebe ICH nie und nimmer den Mittelpunkt, um den sich alles zu drehen hat!

Gerade sind die Ferien zu Ende gegangen. Neues Treiben kann im Medienpoint beginnen. Und die Situation dort ist wirklich nicht einfach. Das Jobcenter Reinickendorf hat den Medienpoint in diesem Jahr fast vollständig im Stich gelassen. Das wollen sich aber die Kitas nicht gefallen lassen. In mehreren Schreiben an den Kulturring und das Bezirksamt haben sie vor einer drohenden Schließung gewarnt. Wo gibt es heute noch kostenlose Angebote für die Kinder? Gerade in den vielen Problemkiezen sind sie unentbehrlich geworden. Der Kulturring wird weiter um den Bestand kämpfen. Da sind sich alle einig. Die erwartungsvollen Kinderaugen und Mitstreiter wie Andreas Molter sind Motivation genug! Die Politiker müssen sich mit ihren Entscheidungen an ihnen messen lassen!

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