Farbverwandt

Stefan Friedemann

Der Titel der Ausstellung gibt die bei aller Individualität ihrer Wahrnehmung doch vorhandene künstlerische Wahlverwandtschaft beider Künstlerinnen wieder. Beiden gemeinsam ist ein eher stiller, unspektakulärer Blick mit der Intensität konzentrierter Zurücknahme, die einer lauten Welt der plakativen Vereinnahmung die behutsam ertastete Gegenwart der leisen Augenblicke und innerlichen Selbstvergewisserung entgegensetzt.

Die beiden rumänischen Künstlerinnen fühlen sich stark dem farbigen Lyrismus ihres Landsmannes Pallady verbunden. Sie arbeiten beide „sur le motiv“– vor dem Motiv. Dabei gehen sie, wie auch Pallady, den konfliktreichen Weg einer aus der Natur heraus gelösten Abstraktion im Sinne der klassischen Moderne, an deren Anfang Cezánne stand. In dieser Durchgeistigung jenseits naturalistischer Nachahmung beziehen sie ihre Gestaltungsintentionen aus der Unmittelbarkeit des Gegenübers - dem Spiegelbild, einem Fensterausblick, der Figuration im Raum oder der Landschaft. So ergibt sich oft eine intime Zwiesprache in der Sicht beider Künstlerinnen – auf ein Modell, dessen Geste des Innehaltens, eine Situation – die jedoch auch auf verschiedene, einander im Dialog ergänzende Wahrnehmungen verweist.

Tatiana Burghenns Blick sucht stärker die farbige Korrespondenz der einzelnen Ausdrucksträger in ihren Bildern. Die weiblichen Körper wirken mehr in einen fleckhaft-malerischen Gesamtrhythmus eingebunden. Das Licht umspielt, webt, lässt mit verhaltener Sinnlichkeit den Rhythmus fließender Körperlichkeit behutsam magisch aufblühen. Dieser nuancenreiche Lichtstrom hebt im Bildhaften das Verbindende, die stimmige Analogie der Formerfahrung im Erleben von Figur und Raum hervor. Dabei erscheinen die Formen ihrer Körperlandschaften als leuchtende Akzente stärker der unmittelbaren Nähe des Betrachters ausgesetzt. Ihre Neigung zu landschaftlich atmosphärischen Formerlebnissen führte die Künstlerin bei der Motivwahl sowohl in den Stadtraum mit seinen urbanen Architekturzusammenhängen, als natürlich auch zu den heimatlichen Landschaftskörpern der Karpaten. Hier knüpft sie mit subtilen Modulationen zarter Grauabstufungen lichte Klangteppiche, in denen sich Typisches dieser Gegenden mit eigengesetzlicher Verallgemeinerung des rein Malerischen verbindet. Das silhouettenhaft bewegte Steigen und Fallen der Massive des Vulkangesteins wird zu kubisch abstrahierten Figurationen in markantem Wechsel des Hell-Dunkels. Das Spiel des Tages- oder Nachtlichtes, das Leuchten, Dämmern, Aufblühen oder Erlöschen löst auch ihre Fassadenbilder aus dem unmittelbar topographischen Kontext und macht sie zu Verwandlungen prosaischer Vertrautheit eines Fensterausblicks in die malerische Noblesse eines facettenreichen Prismas von bis ins Monochrome reduzierten Halbtönen.Auch bei Denisa Spanu korrespondiert der Raum farbig mit den tonreichen Schattierungen der Figur. Aber in der Genauigkeit der Detailbetrachtung erfährt das Umfeld eine eigene Energie, in deren Spannungsfeld der Bezugspunkt Figur mehr Bestandteil als dominanter Kern bleibt. Die Figur selbst entwickelt ihre gespannte Körperhaftigkeit aus der Synthese von bildhauerisch-architektonischer Formbindung und malerischer Flächigkeit der Gestalt. Porträthafte Ausdrucksmomente betonen darüber hinaus die Affinität zur stärkeren Individualisierung. So evoziert sie bei aller Differenzierung des Raumes einen Blickpunkt beseelten Daseins, dessen Erwachen im Bild uns zur Zwiesprache (ver-)führt.

Auf einem Bild, das zugleich auch das Plakat der Ausstellung ziert, sehen wir eine im Sessel sitzende junge Frau. Der Blick dieser verletzbar einsam im Raum verharrenden weiblichen Figur wird, wie auch auf anderen Bildern von Denisa Spanu, zu einer Bewegungsrichtung, die Bewegungen aus dem Raum aufnimmt, aus ihm hinausführt oder von ihm aufgenommen wird und so zur Erweiterung des wesensmäßig genauen Ausdrucks der Dargestellten in einer verbindlichen Sozialisation des Bildraumes beiträgt. Der Raum wird durch die Details physisch gegenwärtiger, er wird zum Attribut der Dargestellten, das sie näher bestimmt. Habitus und Kleidung nehmen diese nähere Bestimmung auf. Im Miteinander von bildhafter, formaler Ausdruckskraft und einer sozialen Chiffrierung der Figur durch deren Accesoires entsteht eine vielschichtige Spannung zwischen abstrakten Gestaltungsaspekten und narrativen Momenten. Eine Verrätselung des authentisch wirkenden Raumes entsteht darüber hinaus in der Balance zwischen Inszenierung und Profanisierung der Modellsituation. Der Ausdruck des Wartens oder wachen Innehaltens lässt gerade im lyrischen Gestimmtsein des Augenblickes eine unausgesprochene Unruhe der Dargestellten anklingen, das harmonische Ambiente gerät zum subtilen Trugbild mit existentiellem Unterton. Die Szene in ihrer Mehrdeutigkeit bleibt unaufgelöst. Hier gelingt es Denisa Spanu, mit sensueller Beobachtung einfühlsame Charakterstudien im Gegenüber von Figur und Raum zuzuspitzen, ohne sich vordergründig im psychologisch Absichtsvollen zu verlieren

Das Miteinander beider Künstlerinnen im Bildgespräch soll sich in diesen Sommertagen für die Ausstellung in der Galerie Ost-Art zu einem erlebnisreichen Austausch mit den Ausstellungsbesuchern weiten und es ist erfreulich, dass wir hier einer so harmoniereichen Zweistimmigkeit in dieser Ausstellung begegnen können.

Galerie Ostart, Giselastr. 12, 10317 Berlin, Ausstellung vom 8.7. bis 19.8.16, Die-Frei 10-15 Uhr, Sa. 13-17 Uhr

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