Alles erlaubt,

Ingo Knechtel

oder doch nicht? Künstlerische Freiheit und ihre Grenzen, dies scheint dieser Tage wieder zum Thema im gesellschaftlichen Diskurs zu werden, erhitzt die Gemüter und wirft ständig neue Fragen auf. Provokant werden Grenzen ausgetestet wie im Fall Böhmermann, der doch eigentlich gar kein Fall wäre, handelte es sich nicht um einen umstrittenen Autokraten, den er auf unflätige Weise aufs Korn nimmt. Schon immer haben künstlerische Werke heftige Wirkungen erzielt, ob beabsichtigt oder nicht. Die Älteren haben beispielweise die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR vor Augen oder die zahlreichen verbotenen DEFA-Filme, an die gerade wieder anlässlich „70 Jahre DEFA“ erinnert wurden. Salman Rushdies Roman „Die Satanischen Verse“, 1988 erschienen, führte zu einer Reihe von Gewalttaten durch aufgehetzte Muslime und zu einem Kopfgeld, das der iranische Staat auf Rushdie aussetzte und erst im Februar dieses Jahres um weitere 600.000 Dollar auf mittlerweile insgesamt 4 Mio. Dollar erhöhte. Über eins sind sich alle im Klaren: Die Gedanken eines jeden Menschen sind frei. Doch ob und wie mit ihnen in das gesellschaftliche Leben eingegriffen wird, hängt doch sehr von den herrschenden Bedingungen ab. Bei uns sind freie Meinungsäußerung und Freiheit der Kunst vom Grundgesetz geschützt. Für ihre Grenzen gelten klare Regeln und Gesetze, mit den z.B. Völkerhass und Rassismus aber auch jede Verletzung von Persönlichkeit und Menschenwürde unterbunden werden. Menschen in anderen Kulturkreisen fühlen sich aber möglicherweise in ihrer Art zu leben von hiesigen Gewohnheiten verletzt. Wir im Gegenzug würden in manch anderen Gegenden dieser Welt aus den verschiedensten Gründen nicht leben wollen. Und mit Migration und Globalisierung, auch durch das Internet, gibt es so gut wie keine Abschottung mehr. Zwangsläufig wird das zu Veränderungen, ja auch zu Konflikten führen. Der einzig gangbare Weg scheint mir, den Respekt und die Achtung vor dem Mitmenschen und seinen Gefühlen, unabhängig von nationalen Grenzen und Religionen, in den Mittelpunkt zu stellen. Und wir alle sollten gemeinsam Wert darauf legen, dass kulturelle Interventionen nicht nur gewünscht und gefördert werden, sondern auch kulturellen Ansprüchen genügen und zukunftsweisend sind.

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