Land unter Wasser

Dagmar Gleim

Besuch bei den Altertumsforschern in der Beletage der Treptower Dependance

Altertumsforschung ist ein weiter Begriff, den es einzugrenzen gilt. In den Räumlichkeiten des Kulturrings in Baumschulenweg findet einmal im Monat ein Treffen derer statt, die etwas über das Altertum der Erde wissen möchten. Sammler, Forscher, Interessierte und Laien kommen zusammen und befassen sich mit uralten Lebenszeugnissen, also mit den zu Stein gewordenen Erscheinungen in den jungen Jahren der Erde. Darin können sie wie in einem Buch lesen, denn die Steine haben spannende Geschichten zu erzählen und teilen uns viel über unseren Ursprung mit. Dieser Zweig der Altertumswissenschaft nennt sich Paläontologie.

Paläontologen sind Forscher, die die Entwicklung der Lebewesen, die im Verlauf der Erdgeschichte unseren Planeten besiedelten, vermessen, ihren Entstehungsort erkunden, um so dem Entstehen, der Entwicklung des Erdballs näher zu kommen. So sperrig die Bezeichnung, so vielseitig und divers sind ihre Forschungsobjekte. Das Wort palaios stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie alt. Die Ontologie ist die Lehre vom Seienden.

Salopp formuliert, betrachten die Paläontologen die fossilen Artefakte unserer Erde in deren Teenagerphase. Für strenge Wissenschaftler sicher nicht die angemessene Beschreibung ihres Fachs, aber für den Laien ist das Bild sicher ganz hilfreich. Für die Begutachtung der Objekte stehen geologische, also steinerne Fundstücke und fossile, also zu Stein gewordene oder in Stein eingebettete Belege von Flora und Fauna zur Verfügung.

Natürlich sind auch die Menschen Bestandteil der Evolution, wenn auch fast am Ende der Kette aufgetaucht. Paläontologische Forschung ermöglicht die Zurückverfolgung der menschlichen Ahnenreihe, theoretisch bis zum Auftreten der ersten fossilen (bakteriellen) Zelle. Unser Alltag wäre ohne die Hinterlassenschaften ehemaliger Lebewesen nicht denkbar.

Im Kulturring finden unter Anleitung von Michael Zwanzig, einem studierten Chemiker und Physiker, nun schon seit über 30Jahren, jeweils am letzten Donnerstag des Monats, ab 18 Uhr Treffen statt, die immer thematisch durch Vorträge und persönliche Forschungsberichte gekennzeichnet sind.Rechtzeitig erschienen, um einen guten Beobachtungsplatz zu ergattern, füllt sich der Raum kurz danach in einer Schnelligkeit, so dass innerhalb einer halben Minute gefühlte dreißig Personen auf der Suche nach einem Platz und Stuhl zu sein scheinen. Der Besuch bei den Laienforschern unterschiedlichster beruflicher Provenienz zeigt, dass nicht jede Veranstaltung Gestalt, Alter und Zusammensetzung der steinernen Zeugen zum Thema hat. In diesem Fall ging es um die Beschreibung einer Reise in den Oman, die nicht ausschließlich die Fossilien (lateinisch fossilis, „ausgegraben“) und deren Alter und Zusammensetzung zum Ziel hatte.

Vortragende waren zwei Teilnehmerinnen, die die schöne und vielfältige nordöstliche Küstenregion Omans bebildert hatten. Betitelt mit „Eine geologische Reise“, wurde, passend zum eigentlichen Auftrag der monatlichen Treffen, auf das Ergebnis der Plattentektonik und die Formationen der Berge in dieser Region hingewiesen. Die bestehen nämlich aus altem ozeanischen Boden, aufgeworfen durch die ozeanische Platte, die sich über die arabische geschoben hat. Und das ist ein klein wenig her: ungefähr zwischen 298,9 Millionen und etwa 252,2 Millionen Jahre, da hat das Ereignis stattgefunden. Dieses Erdzeitalter nennt sich Perm. Die Wucht hatte stark zusammengedrückte, gefaltete Berge, Hügel und Steinformationen zur Folge, die in ihrer Schönheit auch auf dem Reißbrett hätten entstanden sein können.

Die Teilnehmer wussten die alle Sinne ansprechenden Naturbilder Omans mit ihrer orientalischen Atmosphäre zu goutieren. Für sie war es ja auch, wenn auch von einem anderen Standpunkt aus betrachtet, eine Reise in die Ferne, per Diaschau. Zur Unterstützung der optischen Sinnenfreude, wurden während des Vortrages für den Oman typische Datteln herumgereicht.

Es geht hier nicht streng nach Plan zu, am Veranstaltungsort, in der Ernststraße 14-16. An diesem Tag bleibt die reine Lehre außen vor. Das liegt auch an der dezenten Art und Weise, mit der der Leiter (Michael Zwanzig) seinen „Adepten“ Raum gibt, anderen die Bühne überlässt, sie selbständig referieren und konkludieren lässt. Ein paar Fachbegriffe fielen dennoch hier und da in dem Vortrag: die Black Smoker (kaminartige Gebilde, die sich an heißen Tiefseequellen bilden), die das Gestein aussehen lassen, als bestünden diese aus weichem Untergrund, so genannte Pillowlaven (Lava, die kissenartig geformt ist). Der ozeanische Boden bietet viel, das zu erforschen wäre, marine Urtiere, verkalkte Einzeller, und, in kalkartigen Schalen, auch lebende Austern, die es sich im Feuchten unter dem Gestein gut gehen lassen.

Dieser kleine Ausflug in das Morgenland hat viel Spaß gemacht, bot er doch Ausblick auf viele Aspekte unseres Lebens und die unterschiedliche Ausgestaltung desselben: In Form von Kultur, Tradition, Natur und der vielen, Stein gewordenen Zeugnisse im Oman. Die beiden Damen haben für den Vortrag ihren wohlverdienten Applaus bekommen. Von gefühlten 30 Teilnehmern.

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