Zur Entstehungsgeschichte der sogenannten „Baugesellschaft Eigenhaus“

Walter Fauck

In den Analen von Karlshorst taucht immer wieder der Name „Baugesellschaft Eigenhaus“ oder auch „Bauvereinigung Eigenhaus“ auf. Über die Jahre wechselt der Begriff, aber die handelnden Personen bleiben die gleichen. Als Beauftragter des Kaisers für die Grundstücksübertragung der Kaiserhäuser in der heutigen Lehndorfstraße schreibt schon 1895 Landrat von Waldow von der nicht rechtsfähigen „Gesellschaft Eigenhaus“, bestehend aus den drei Repräsentanten. Gemeint sind:

August Graf Dönhoff-Friedrichstein (1845-1920)

Rechtsanwalt Otto von Hentig (1852-1934)

Kommerzienrat Max Krause (1837-1913)

im Jahr 1915 schreibt der Vertraute von Otto von Hentig für Karlshorst, Heinrich Straeter, an Max Krauses Sohn: „Eine Baugesellschaft Eigenhaus besteht nicht, hat auch nie bestanden – ebenso bildet die Bauvereinigung keine juristische Person“. Damit erklärt sich die Beliebigkeit der jeweiligen Benennung im Verlauf der folgenden Jahre. Und doch entstanden im Rahmen der vom deutschen Hochadel finanzierten Grundstückstransaktion „Colonie Karlshorst“

25 Arbeiterwohnhäuser zu sozialverträglichen Konditionen, die mit dem Wirken der sogenannten Baugesellschaft Eigenhaus und ihrer drei Repräsentanten verbunden sind.

Das Thema „Eigenhaus für Minderbemittelte“ beschäftigte Graf Dönhoff-Friedrichstein schon länger. Im Februar 1892 behandelte der Deutsche Reichstag in erster Lesung einen Entwurf eines „Heimstätte-Gesetzes für das Deutsche Reich“. Einreicher dieses Entwurfes waren Graf Dönhoff-Friedrichstein, Dr. Graf von Moltke und andere. Er begründete diesen Entwurf persönlich, als er in erster Lesung im Reichstag behandelt wurde.

Ende 1890 rufen Graf Dönhoff-Friedrichstein, der Rechtsanwalt Otto Hentig und andere zur Bildung einer Bauvereinigung auf. Ziel ist es, Berliner Arbeiterfamilien mit „menschenwürdigen Heimstätten“ zu versorgen. Dazu liegt eine umfangreiche Denkschrift von Dr. Bengsch „Zur Begründung eines tragkräftigeren Vorgehens auf dem Gebiet der Berliner Arbeiter-Wohnungsfrage“ vor. Der Regierungsbaumeister Karl Schmülling hat erste Entwürfe für preiswerte Arbeiter-Wohnhäuser gefertigt. Sie sind der Denkschrift beigefügt. In einer Veranstaltung am 12. Februar 1891, für die die Einladung auch bei den Akten liegt, sollte das weitere Vorgehen besprochen werden. Bis auf das notwendige Beschlussprotokoll für die Bildung einer rechtsfähigen Baugesellschaft liegen alle Unterlagen bei den Akten des preußischen Finanzministeriums. Es entstand aber nur ein „Vollzugs-Ausschuss für die Begründung der Baugesellschaft Eigenhaus“ mit Graf Dönhoff-Friedrichstein als Vorsitzenden und Herrn von Alvensleben als Generalsekretär.

Im April 1891 beantragte Graf Dönhoff-Friedrichstein eine befristete Baugenehmigung für den Bau eines Musterhauses auf einer Brachfläche gegenüber dem Reichstagsgebäude, in der Sommerstraße, der heutigen Ebertstraße. Das Gebäude sollte für vier bis sechs Monate für Ausstellungszwecke errichtet werden. Der Entwurf stammte von Regierungsbaumeister Karl Schmülling und entsprach den Zeichnungen der genannten Denkschrift von Dr. Bengsch.

Das Ausstellungsgebäude bestand aus einer Doppelhaushälfte. Eine Fassadenwand war mit dem Spruch „Eigener Herd ist Goldes Wert“ geschmückt. Einige Tage nach Eröffnung besichtigte Mitte Oktober 1891 der Kaiser das komplett eingerichtete Gebäude. Er lobte die einfache Ausführung und erteilte den Auftrag, dass auf seine Kosten zwei dieser Gebäude am damals noch vorgesehenen Standort Biesdorf errichtet werden sollen. In den Hofberichten der Presse wird ausführlich darüber berichtet. Als Kaiserhäuser entstehen sie später dann in Karlshorst. Parallel dazu erschien auch ein Prospektblatt des Vollzugsauschusses, das noch für ein Baufeld in Biesdorf wirbt. Auf 200 Morgen am Bahnhof Biesdorf, westlich der Oberfeldstraße, sollten 1500 Einfamilienhäuser entstehen. Nach einem Zeitungsbericht wurde das Biesdorfer Projekt bis mind. Ende 1891 verfolgt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich nur 200 Kaufinteressenten gemeldet.

Im November 1892 beschloss der Kreistag Niederbarnim den Bau der Kreischaussee von Marzahn über Friedrichsfelde nach Oberschöneweide. Die Straße war Voraussetzung für den Koloniekonsens für Karlshorst und für den Betrieb der Rennbahn. Der Beschlusstext liegt vor. Leider konnte die Begründung für den Beschluss in keinem der besuchten Archive gefunden werden. Die Antragsbegründung könnte Auskunft geben über einen möglichen Zusammenhang mit der in den Folgejahren eingetretenen Entwicklung in Karlshorst. Erst im Juli 1893 berichtete Gregorovius an Hentig von dem Beschluss. Der Baubeginn hatte sich verzögert, weil es zur Trassenführung Unstimmigkeiten zwischen der Eisenbahnverwaltung und von Treskow gab, die dann von Gregorovius ausgeräumt wurden. Schon in diesem Schreiben gibt es Hinweise zum Bau des Logierhauses (Fürstenhaus) für die Rennbahn und deren Finanzierung durch die späteren Geldgeber für die Villen-Colonie Karlshorst.

Im Jahr 1892 ging Otto Hentig als neuer Präsident der Fürstlich Fürstenbergischen Kammer nach Donaueschingen. Damit wurde er der Vermögensverwalter des Fürsten Karl Egon IV. zu Fürstenberg (1852-1896). In dieser Funktion gelang es ihm, die Finanzierung der Villen-Colonie Karlshorst zu organisieren. Geldgeber wurden das Fürstenpaar zu Fürstenberg, Graf Dönhoff-Friedrichstein, Graf Dönhoff-Krafftshagen und Graf Lehndorff-Preyl. Nach dem Tode des Fürsten 1896 war Hentig auch dessen Testamentsvollstrecker und konnte so die vom Fürsten für Karlshorst eingegangenen finanziellen Verpflichtungen weiter umsetzen. Im Testament sieht man auch, dass der Fürst an der Finanzierung der Anlagen in Hoppegarten beteiligt war. Der Fürst war Rittmeister im 2. Gardedragonerregiment in Berlin und verbrachte viel Zeit in Berlin. Auch die späteren adligen Geldgeber für Karlshorst gehörten dem „Verein für Hindernisrennen 1881“ an. Damit endete dann auch das Engagement zur Gründung einer rechtsfähigen Bauvereinigung. Das Abwenden vom Projekt Biesdorf erfolgte unauffällig. Ausschlaggebend dürfte gewesen sein, dass die Fläche in Karlshorst größer und durch die Verbindung mit der Rennbahn attraktiver war und dass 1500 Arbeiterwohnhäuser eine kaum zu bewältigende Aufgabe war, gemessen an den 25 sozial verträglich finanzierten Arbeiterwohnhäusern, die dann in Karlshorst entstanden.

Die drei Repräsentanten „Eigenhaus“ gewährten den Käufern ihrer Eigenhäuser in Karlshorst günstige Hypotheken, die von ihnen dann an Banken weiterverkauft wurden. So stand dann wieder Kapital für die nächsten Häuser bereit. Dieses Verfahren wurde erstmals bei den finanzierten Häusern in der heutigen Lehndorfstr. 22 bis 24 von den drei Herren praktiziert. Das Haus Lehndorfstr. 5 hatte Graf Dönhoff-Friedrichstein allein finanziert. Hier war er auch Eigentümer bis 1902.

Am 5. Februar 1894 kam das Finanzierungsabkommen für Karlshorst zustande. Die Geldgeber waren:

1. Fürst Karl Egon zu Fürstenberg in Donaueschingen

2. Graf August Dönhoff-Friedrichstein zu Friedrichstein

3. Graf Otto Dönhoff-Kraftshagen Excellenz zu Berlin, Wilhelmstr. 66

4. General der Kavallerie, Graf Lehndorff Excellenz zu Berlin, Pariser Platz 6

5. Fürstin Dorothée zu Fürstenberg in Donaueschingen

In diesem Rahmen konnten Graf Dönhoff-Friedrichstein mit Otto Hentig und dem hinzugekommenen Papierwarenfabrikanten Kommerzienrat Max Krause ihr soziales Anliegen, den Arbeiterwohnungsbau, in bescheidenem Umfang verwirklichen. Anstatt einer rechtsfähigen Baugesellschaft war eine Männerfreundschaft entstanden, die mit ihrer sozialen Zielsetzung bis zum Tode der Beteiligten Bestand hatte.

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