Zum Tode der Ortschronistin Helga Uhlenhut (1942-2016)

Monika Niendorf

Helga Uhlenhut war viele Jahre als Ortschronistin des Kulturbundes in Baumschulenweg bekannt und beliebt. In den 1990er Jahren hatte es sich herumgesprochen, dass sie monatlich einen Treffpunkt im Programm des Kulturbundes bekannt gab, wo man sich mit ihr zu einem interessanten Ortsspaziergang durch das Wohngebiet traf. Gegen 14.30 Uhr marschierte sie immer los zu einem markanten Punkt in Baumschulenweg, an dem man sonst oft gedankenlos vorbei ging, der aber etwas aus der Geschichte des Ortes zu erzählen hat.

Helga, Jahrgang 1942, war 20 Jahre als Lehrerin im Bildungswesen der DDR tätig. Doch nach der Wende wurde sie „abgewickelt“ und dann 1990 arbeitslos. Nach einem Lehrgang für Bürokommunikation engagierte sie sich in einem ABM-Projekt, wirkte beim Aufbau einer Dokumentationsstelle für nichtstaatliche Frauenbewegungen in der DDR mit. 1995 kam sie zum Kulturbund Treptow und wurde Teil eines Teams, das sich mit der Geschichte von Menschen aus Baumschulenweg beschäftigte, die Spuren in ihrem Wohnort hinterlassen haben. Helga machte während der Recherchen ihren ersten Ortsspaziergang. Den Abschluss des erfolgreichen Projektes bildete eine Ausstellung über Persönlichkeiten des Ortsteils.

Wie sollte aber nun mit den Ortsspaziergängen werden? Kulturbundmitglied Helga Uhlenhut machte einfach weiter, fand dabei in Projektleiter Reno Döring einen hilfreichen Partner und Förderer. Sie schmökerte in Archiven, stöberte viel Interessantes auf und vermittelte das erworbene Wissen auf angenehme Art. Mehr als fünfzehn Jahre führte sie die Tradition weiter. Alteingesessene, Zugezogene, Weggezogene und Leute aus Nachbarbezirken wusste sie für Geschichte und Geschichten des Ortsteils zu begeistern. Wie stark Helga an der Geschichte Baumschulenwegs interessiert war, wird auch an einer amüsanten Begebenheit deutlich: Als eine (wegen Heirat) Zugezogene, die vom Ortsteil anfangs keine Ahnung hatte und darüber sehr unglücklich war, übernahm sie einmal die Urlaubsvertretung einer Postzustellerin, um mehr über ihre nähere Umgebung und die Nachbarn zu erfahren.Helga Uhlenhut und Herr Besser, der ihre Arbeit viele Jahre fotografisch begleitete, haben fleißig gesammelt, aufgeschrieben und zu vielen dicken Akten „Ortsspaziergänge in Baumschulenweg“ zusammengestellt. So entstand über Jahre hinweg ein kleiner Teil der Baumschulenweger Ortschronik, zusammengetragen aus Archiven, bereits veröffentlichten Publikationen oder auch durch Erinnerungen Alteingesessener. Vor allem die Ältesten konnten aus ihrer Kindheit, ihren Schul- und Kriegserlebnissen, von ihren Nachbarn und von längst verschwundenen Geschäften berichten – denn „alle sind Ortschronisten“, wie sie immer sagte. Jeder, der sich heute für die Geschichte seines Ortsteiles Baumschulenweg interessiert, hat die Möglichkeit, im Haus des Kulturbundes in der Ernststraße im Archiv zu blättern. Leider musste Helga bereits vor einigen Jahren die schöne Tradition der Ortsspaziergänge erst unterbrechen und später beenden, da sie schwer erkrankt war. Aber noch viele Jahre hat sie trotz dieser Krankheit ihre Erfahrungen weitergegeben. Sie schrieb regelmäßig interessante Artikel für das Jahrbuch Treptow-Köpenick oder auch für die Mitgliederinformationen der WBG Treptow Nord. Für mich persönlich war sie in all den Jahren eine gute Freundin, mit der ich mich gerne über Probleme des Ortes und kulturelle Fragen ausgetauscht habe. Sie war ein geachtetes und geschätztes Mitglied des Kulturbund Treptow, die wir nicht vergessen werden.

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