In einem abgelegenen äthiopischen Dorf wurde durch Spenden deutscher Marathon-Läufer erstmals eine Schule Wirklichkeit. Nach zehn Jahren ist dies durchaus eine Erfolgsgeschichte, die mit Hilfe des Kulturrings in Berlin e.V. erst möglich wurde.
Shafamu kannte lange Zeit kaum einer. Nicht mal in Äthiopien. Bis eine deutsche Marathongruppe dieses Dorf, etwa fünf Reisestunden von Addis Abeba entfernt, fand. Das war 2006. Ein Jahr zuvor reisten erstmals Läufer aus Deutschland nach Äthiopien, um am jenem Marathon teilzunehmen, der dem ersten afrikanischen Olympiasieger der 42,195-km-Distanz gewidmet war – Abebe Bikila. Dieser gewann 1980 in Rom, und das barfuß! Auf der anschließenden Busrundreise durch das hoch liegende Kulturland wurde die Idee geboren, das Land, so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen, ein wenig zu unterstützen. Mit einer kleinen Schule. Die sollte aber tatsächlich in einer Region entstehen, wo sich hier Esel und Schaf „Gute Nacht“ sagen. Kein Geringerer als der zweimalige Olympiasieger Haile Gebrselassie, der uns damals in seinem Haus empfing, gab jenen Hinweis auf die sogenannte Gurage-Zone in der Region von Welkite. So fanden wir Shafamu, das unbekannte Dorf.
„Wäre hier nicht ein Horizont zu sehen“, kommentierte vor zehn Jahren einer dieser Läufer, die dabei waren, „würde ich denken, mich am Ende der Welt zu befinden.“ Hier gab es keine Schule. Kinder mussten – wie einst Haile Gebrselassie in seiner Kindheit selbst – 10 Kilometer und mehr zu einer Bildungsstätte zurücklegen. Viele Eltern nahmen da ihre Sprösslinge lieber mit aufs Feld und ließen sie mithelfen. Das wurde nun Schritt für Schritt anders – mit Hilfe von Spenden von Läufern und vielen Sympathisanten. Mit dem Kulturring fanden wir sofort einen Partner, der uns bei dieser aufwändigen Sammlung von Anfang an unterstützte. Und uns bis heute, zum Abschluss, stets zur Seite stand, mit Rat und Tat.
So entstand bereits ein Jahr später ein richtiges, wenn auch noch unscheinbares Schulgelände. Mit einem kleinen Sportfest und der Übergabe von Schulrucksäcken wurde „Marathon“ eröffnet. Schon einige Monate später holperten zwei Lastkraftwagen aus Welkite mit Schulmöbeln heran, die nach mitgebrachten Fotos aus Deutschland von rührigen Handwerkern der äthiopischen Bezirksstadt angefertigt wurden. Eine Sensation in dieser dörflichen Region. Als Erste nahmen sich die Ältesten des Dorfes Shafamu die Ehre, diese Schulsitzbänke einzuweihen...Aus anfangs zwei Dutzend Schülern wurden es in dem zurückliegenden Jahrzehnt sage und schreibe 618. Aus der baufälligen Hütte von Ende 2006 entstanden sechs feste Gebäude. Zusammen 21 Lehrkräfte, darunter Vorschullehrer, kümmern sich heute um diese Schule, die – da von Läufern gesponsert – den Namen „Marathon“ erhielt. Ein Labor und eine kleine Bibliothek gibt es inzwischen ebenfalls. Sogar, was hier unbekannt war, zwei Toilettenhäuschen. Marathonläufer sind allerdings noch nicht in Sicht. Wer aber die Lauffreudigkeit der Jungen und Mädchen erlebt hat, ahnt, dass auch sie dem großen Vorbild Haile Gebrselassie nacheifern werden.
Ende des Vorjahres konnte diese äthiopische Erfolgsstory, einst vom Fachjournal LAUFZEIT und dem Reiseveranstalter REISEZEIT initiiert, abgeschlossen werden. Jetzt haben Lehrer und Schüler eine gute Grundlage, selbstständig weiter wirken zu können. Die übergeordnete Schulbehörde von Welkite hat längst ein Auge auf dieses Vorzeigeobjekt geworfen. Denn es sprach sich dermaßen herum, dass dort Wartelisten für weitere Interessenten ausgelegt werden mussten. Beim letzten Besuch im November 2015 sahen wir einen Neubau, der uns ebenfalls freuen konnte. Vier Kilometer entfernt baut der Staat, am Rande von Shafamu, eine Oberschule, in der auch die besten „Marathon“-Kinder eine Chance erhalten, sich für ein Studium in der Bezirksstadt Welkite oder sogar in der Hauptstadt Addis Abeba zu empfehlen. Eine Perspektive, an die vor zehn Jahren nicht annähernd gedacht werden konnte.
Die Shafamu-Kinder und ihre Eltern sind glücklich über diese Erfolgsgeschichte. Auch wenn es, kaum zu glauben, in ihrem 4.500-Seelen-Ort, der vorwiegend aus strohbedeckten Rundhütten besteht, immer noch kein Licht, keine Trinkwasserstelle und keine Straße gibt, die zur Schule „Marathon“ führt...
Nachbemerkung: Klaus und Marianne Weidt wurden im November 2015 von der Schule Marathon und der Schulbehörde Welkite mit einem Honorary Certificate geehrt.