Alte Zeitungsartikel

Dr. Harald Wachowitz

Zum Beispiel alte Zeitungen… Da organisierte das Friedrichshainer Kultur- und Nachbarschaftszentrum „RuDi“ im Herbst 2015 Ausflüge für Friedrichshainer und Kreuzberger Senioren, und die wünschten sich nicht Kaffeefahrten, sondern Bildung. Das war dem Verein, zu dem „RuDi“ gehört, natürlich sehr recht. Nach dem tollen Erleben dieser sechs Fahrten entstand dann eine DVD. Ein Heft in der DVD sollte die Geschichte der Reiseziele beschreiben, aber Ach – wo war das Reiseziel, die im Jahr 1272 erstmals erwähnte Burg Beeskow zwischen 1946 und 1990, oder die Frage, gab es die bis 1916 erbaute Tuschkastensiedlung in Bohnsdorf dort auch zu DDR-Zeiten, bevor sie heutzutage Weltkulturerbe wurde? Das bekommt man im Internet auffälliger Weise nicht heraus.

Da half ein Blick in alte Zeitungsartikel, von denen in unserem Zeitgeschichtlichen Archiv über die Jahre bereits 1.800 000 für unsere Datenbank im Internet erfasst wurden. Und so erfuhren dann die „RuDi“-Reisenden und Leute, die vielleicht im Neuen Jahr dabei seien wollen, die ganze Geschichte. Die Burg Beeskow war nämlich über die vierzig fehlenden Jahre ein gut besuchter Museums- und Kulturort, hatte darüber hinaus einen tollen Jugendklub, und auch die Treptower Archenhold-Sternwarte, ein anderes Exkursionsziel, verzeichnete Besucherzahlen, die heute nicht mehr erreicht werden, ganz zu schweigen von der denkmalgerechten Sanierung und Rekonstruktion der hochinteressanten Struktur der Tuschkastensiedung im Jahre 1985.

Entstanden ist das Zeitgeschichtliche Archiv eher zufällig. Das Berlin-Brandenburger Bildungswerk, mit seiner damals spezifischen Ausrichtung in politischer Bildung, arbeitete ab 1991 für dutzende Zeitungen, Funk und Fernsehen. Kurz gesagt: Nebenbei wurde unser gemeinnütziger Verein Retter großer Presseartikelsammlungen, etwas, dessen die heutige digitale Welt nicht mehr bedarf. Die Sammlungen wurden in einer Zeit vor Makulierung bewahrt, die papierne Vorläufer als Kostenfaktor ansieht und gering schätzt.

Gegen Ende des 19. Jh., mit der Zunahme der Presseerzeugnisse und -vielfalt, begann die Zeit der Zeitungsausschnittarchive. Die Bedeutung veröffentlichter Meinung für Politik, Kultur und wirtschaftliches Leben nahm zu, und die Universalität der Informationen aus allen Lebensbereichen bedurfte der Aufbereitung. Zeitungsauschnittarchive dokumentierten die jeweilige Gegenwart und bedienten das Informationsbedürfnis spezieller Benutzergruppen. Heute sind sie, bei allem notwendigen quellenkritischen Herangehen, nach unserer Auffassung ein Schatz der Zeitgeschichte.Was interessiert unsere Nutzer heute? Ein beträchtlicher Teil der geschichtlichen Überlieferung der öffentlichen Meinung des 20. Jahrhunderts lagerte in Zeitungsausschnittsammlungen. Die Geschichtswissenschaft hat Zeitungen als ernst zu nehmende Quellengattung inzwischen akzeptiert. Auch die Rezeptionsforschung, z.B. der Germanistik, sieht Zeitungsartikel als bibliographie-würdige Literaturgattung an, war doch das Feuilleton einer der wichtigsten Orte der Literaturkritik und manch kostbarer Aufsatz nur in Zeitung oder Zeitschrift veröffentlicht. Und nicht zu vergessen: Im 20. Jahrhundert waren Zeitungen das wichtigste Medium der Politikvermittlung.

Die Zeitungsausschnittsammlungen unseres Zeitgeschichtlichen Archivs haben in Deutschland keine inhaltliche Entsprechung. Ca. 18,56 Mio. Artikel werden hier in den beiden Kernbeständen bereitgehalten. In den beiden Sammlungen „Länder der Erde“ und „die deutsch-deutsche Zeit“ sind die Meldungen und Artikel aus einer Vielzahl von Zeitungen und Zeitschriften gegliedert. Die aus ost- und westdeutschen sowie anderen deutschsprachigen Printmedien absichtsvoll zusammengeführten und in Sachgruppen gegliederten Presseausschnitte liefern einen kompakten Überblick über die gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung in der BRD, der DDR sowie der Länder der Erde in den Jahren 1946 bis 1992 (Sammelzeitraum). Inzwischen kamen das komplette Papierartikelarchiv des Berliner Tagesspiegel dazu, viele Vor- und Nachlässe und ein bedeutender Bestand gebundener Zeitungen.

Unserem Bildungswerk gelang es seit nunmehr fast zwanzig Jahren, diese unikaten Sammlungen zu bewahren. Die Zeit wurde gut genutzt, das Archiv Stück für Stück aufzubereiten. Wie das gelang, ist wieder eine andere Geschichte. Solche Sammlungen können sich nicht selbst tragen, nirgends. Seit geraumer Zeit freuen sich historisch interessierte Menschen über ihre sinnvolle und spannende Arbeit in unserem Zeitgeschichtlichen Archiv, ihrer Einsatzstelle. Sie arbeiten im Bundesfreiwilligendienst, den ihnen die große Gemeinschaft des Kulturring in Berlin e.V. ermöglicht.

In unserem Archiv haben alle Presseausschnitte, sie sind in Ordnern oder Archivkartons abgelegt, Präsenzcharakter, d.h. es gibt keine Ausleihe. Die Bereitstellung von Artikel- Printkopien erfolgt über die Homepage des Zeitgeschichtlichen Archivs www.zga-berlin.de nach Onlinebestellung, wozu man sich kostenlos registrieren muss. Der DDR-Teil des Länderarchivs kann fast vollständig online recherchiert werden, auch der Bestand Hauptstadt Berlin sowie einige südamerikanische Länder. Ansonsten geben die Beschriftungen über den Inhalt der Ordner des Länderarchivs Auskunft, und für die deutsch-deutsche Sammlung wurden uns als Findhilfen Thesauri und Dezimalklassifikation übergeben, die allerdings gute Kenntnisse damaliger wissenschaftlicher Kategorien voraussetzen. Noch anders der Tagesspiegelbestand: Hier geht es alphabetisch zu. Daher empfiehlt sich die persönliche Recherche nach Vereinbarung (Anmeldung unter 030 – 97 89 18 31). Aber Achtung: Die Archivräume haben keine Heizung, was nur im Sommer angenehm ist. Aber es gibt auch Büroarbeitsplätze für unsere Nutzer.

Dr. Harald Wachowitz ist Geschäftsführer des Trägervereins des ZGA, des Berlin-Brandenburgischen Bildungswerks e.V.

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