Im Rausch der Farben Angst besiegt

Torsten Preußing

Kulturforum zeigt Bilder, die nicht nur Kunst sein wollen

Gerade das ungemütliche und nicht gerade ungefährliche Borstenvieh-Wetter (weiblich) ließ Anfang Januar besonders deutlich spüren, was der Bezirk Marzahn-Hellersdorf eigentlich für erwärmende, behagliche und erbauliche Kleinoden in Form von Galerien, Ausstellungszentren und z.B. dem Kulturforum in der Carola-Neher-Straße 1 besitzt. Der Berliner Autor Rainer Stecher, der in Marzahn NordWest zu Hause ist und in Hellersdorf als Laudator auftrat, bekräftigte diesen Gedanken: „Kunstausstellungen zu besuchen, ist immer etwas Besonderes. Man lässt den Alltag hinter sich und öffnet weit die Sinne.“ Der Gastgeber des Abends, Lutz Wunder vom Kulturring in Berlin e.V., freute sich angesichts des Wetters über den überraschend guten Besuch, aber mehr noch über den besonderen Stern, der hier über der ersten Vernissage des Jahres aufging. Gemäß der Absicht des Hauses, zweimal im Jahr auch heimischen Künstlern ein Schaufenster für ihre Arbeiten zu bieten, präsentierte er dem kunstverständigen Publikum den sehr sympathischen, bescheidenen und fleißigen Autodidakten Matthias Hartje, Jahrgang 1960. Sowohl der Malerei als auch der „Schreiberei“ ist er leidenschaftlich zugetan. In relativ kurzer Zeit verfasste er eine Vielzahl von Büchern, denen eins wohl eigen ist, und zwar – salopp formuliert – den Gegenbeweis oder zumindest die Antithese zur allgemeine Auffassung von der „Unergründlichkeit der menschlichen Seele“ zu erbringen. Die Titel gehören zum Bestand der Ausstellung und weisen auf einen unermüdlichen „Höhlenforscher“ hin. Die Bilder in feurigen Farben, die verdientermaßen die Hauptaufmerksamkeit auf sich ziehen, scheinen nicht nur die Fortsetzung der schriftstellerischen Arbeit mit bildkünstlerischen Mitteln zu sein, sondern deren spezielle Vollendung. Hartje: „Was mir schwer fällt, in Worte zu fassen, male ich in die Bilder.“ Stecher erkannte in ihnen „expressionistische Perspektiven“ und eine „großen poetischen Reiz“. Der Künstler selbst wählte „Magie der Farben – Illustrationen und Aquarelle“ als Titel seiner Ausstellung. Und tatsächlich ist unübersehbar ist, dass Matthias Hartje sich völlig dem Zauber der Farben hingegeben hat. Und zwar dergestalt, dass seine Werke, so Laudator Stecher, „als Mischung aus Vision und Erinnerung, differenzierter Farbenpracht und dem Geheimnis des Lebens“ inspirierend auf den Betrachter wirken. Folgerichtig, dass sie die Exponate auch als „flammende Grüße von der Wand“ aufgenommen haben.

Musikalische Grüße überbrachten Peter Lück (Gitarre) und Ron Bon (Saxophon). Sie spielten dezente Soul- und wohl auch Bluesmelodien und verbreiteten damit das wohlige Gefühl, in einem Künstlercafé zu verweilen. Gleichwohl nahmen alle Gäste bewundernd zur Kenntnis, wie Matthias Hartje mit seiner Kunst auch auf die Problemzonen des Seins zuging: Sinn des Lebens, Liebe und Anerkennung, „das Kind in mir“, die Demenz. Und über allem die Angst. Als Maler versicherte Hartje: „Immer, wenn ich einen neuen Bogen Büttenpapier zu bemalen beginne, sind die Ängste weg.“ Und die tiefere Kenntnis darüber, dass in dieser Kunst mehr steckt als die Kunstfertigkeit, verband Rainer Stecher mit der dankbar angenommenen Aufforderung: „Tauchen Sie ein in die Welt der Malerei … lassen Sie ihre Herzen berühren.“

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