Atmosphère – Intuition formt Stimmung

Felix Hawran

Laura Fiorio, Jeanne Fredac, Larissa Honsek, Laure Gilquin - die vier Fotografinnen aus Deutschland, Frankreich und Italien zeigen jede auf ihre Art hochästhetische, analoge Arbeiten, die zum Großteil mit selbst konstruierten Lochkameras entstanden sind. Ohne Sucher spielt dabei die Intuition, die Vorahnung, wie das Bild aussehen könnte, quasi der innere Blick, eine zentrale Rolle. In der Ausstellung kommt auch der handwerkliche Aspekt der Fotografie besonders zur Geltung: im Gegensatz zum schnellen Selfie erforderten alle Bilder eine ausführliche Vorbereitung sowie die anschließende Entwicklung und das aufwändige Scannen – ganz im Sinne der slow photography.

Laura Fiorio (Italien) entlockt in ihrer Serie Liquid Cities europäischen Altstädten, wie Venedig, Padua, Verona oder Valencia, mit der selbst konstruierten Lochkamera und sehr hohen Belichtungszeiten eine ungeahnte Ästhetik, die mit der urbanen Architektur zu verschmelzen scheint. Es entsteht ein Kontrast zwischen den abgebildeten Elementen der Moderne und einer Stilistik, die an die Anfangsjahre der Fotografie erinnert. Darüber hinaus wird eine Spannung aufgebaut zwischen dem langwierigen Prozess des Fotografierens mit der Lochkamera und der zunehmenden Schnelllebigkeit in Städten, die auch als Parabel für die unendliche digitale Bilderflut dient.

Jeanne Fredac (Frankreich) setzte ihre Lochkamera in Burkina Faso ein, um Wildtiere in der Steppe sowie Minenarbeiter in einer den ärmsten Regionen abzulichten. Über die rein optische Präsenz der Lochkamera, ihre außergewöhnliche Form und Technik, gelang es ihr, die Menschen neugierig zu machen und Vertrauen aufzubauen. Durch den Aberglauben der Menschen vor Ort wurde sie mit ihrer schwarzen Box zunächst für eine Voodoo-Priesterin gehalten, und nach wenigen Tagen wusste der ganze Ort, wer sie war und was sie machte. Sie konnte zudem vermitteln, dass man sich keine teure Kamera kaufen muss, um Fotos zu machen, sondern dass jeder sich seine eigene Kamera mit geringsten Mitteln selbst bauen kann.Larissa Honsek aus Berlin treibt die Neugier und Experimentierfreude, um immer wieder neue Lichtquellen aufzustöbern und diese anschließend mit der Lochkamera in Szene zu setzen. Für Atmosphère experimentierte sie unter Anderem mit Silvesterfeuerwerken, Fahrradlichtern, Wunderkerzen, LED-Lichterketten, Telefonen und Leuchtstäben, die in einer Serie einen ganzen Wald mit magischer Energie aufladen, ein anderes Mal in einer Black Box „eingesperrt“ und dadurch in vorgegebene Formen gelenkt werden.

Laure Gilquin (Frankreich) begab sich für die Serie Dox rek – Geh’ einfach auf Entdeckungsreise durch das nächtliche Dakar, angezogen von der Dunkelheit und geleitet von gelegentlichen Lichtpunkten wie der Glut einer Zigarette, dem Flackern eines Fernsehers oder einer spaltbreit geöffneten Tür. Licht öffnet Passagen, wandelt Gebäudefassaden in Leinwände um. Der Blick dringt in diese Flächen ein und irrt umher.

Zusätzlich zur Ausstellung werden im März mehrere Workshops rund um das Thema Lochkamera angeboten, vom Selbstbau einer Lochkamera bis zu den ästhetischen Vorteilen und Eigenheiten.

Vernissage: Donnerstag, 4. Februar 2016, 19 Uhr,

Ausstellungsdauer: 5. Februar bis 18. März 2016

Fotogalerie Friedrichshain, Helsingforser Platz 1, 10243 Berlin Di-Sa – 14-18 Uhr, Do – 10 – 18 Uhr

facebook/fotogaleriefriedrichshain

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