Immer geht‘s weiter

Monika Niendorf

Die Lesungen berühmter und bekannter Schauspielerinnen und Schauspieler im Kulturbund Treptow sind in den letzten Jahren zu einem der Höhepunkte im kulturellen Kiezleben in Baumschulenweg geworden. Diese Veranstaltungen, die gemeinsam vom Kulturring, der WBG Treptow-Nord und der Buchhandlung Büchereck organisiert und vorbereitet werden, ziehen jedes Mal so viele Interessenten aus dem Kiez an, dass die Räumlichkeiten in der Ernststraße dafür nicht ausreichen würden. Also haben sich alle drei Akteure schon vor Jahren zusammengetan, um den größten hier vorhandenen Raum im Mitgliedertreff der WBG Treptow-Nord zu nutzen. Und meist könnte auch dieser Raum angesichts der vielen Besucher noch größer sein. In diesem Zusammenhang muss unbedingt auch die Initiative der stellvertretenden Kulturring-Vorsitzenden Dr. Beate Reisch erwähnt werden, die all ihre Kontakte zu Bühne, Film und Fernsehen nutzt, damit der Kontakt mit so bekannten Leuten wie Ursula Karusseit, Annekatrin Bürger, Walfriede Schmidt, Herbert Köfer oder Peter Bause zustanden kommen konnte. In diesem Jahr gelang es ihr, mit viel Geduld und Zeitaufwand in den Terminkalender der Schauspielerin Ursula Werner einzudringen. Diese ist mit ihren über 70 Lebensjahren immer noch eine vielbeschäftigte Darstellerin. Dazu darf natürlich auch nicht unerwähnt bleiben, dass all diese bekannten Schauspieler sich selbst irgendwann einmal überreden ließen, Wissenswertes aus ihrem Künstlerleben in einer Autobiografie niederzuschreiben oder dies gemeinsam mit einem kompetenten Autor tun. Die meisten dieser Autobiografien sind dann vom Verlag Neues Berlin in Druck gelegt und veröffentlicht worden. Als Autorin des Jahrbuches Treptow-Köpenick konnte ich übrigens diese Begegnungen mit so bekannten Menschen unserer Zeit und Kultur oft nutzen, um beispielweise über das Leben von Carmen-Maja Antoni oder Otto Mellis für dieses Jahrbuch zu schreiben, meist wenn sie entweder selbst hier zu Hause sind oder mal gewesen sind, also ihre Wurzeln hier haben.Nun aber zum letzten Höhepunkt in dieser Lesereihe beim Kulturbund Treptow: Eingeladen war Ursula Werner mit ihrem Buch „Immer geht‘s weiter“. Und gekommen waren sehr viele interessierte Leser und auch Theater- und Filmanhänger im ähnlichen Alter wie Ursula Werner, also jenseits der 70. Aber auch jüngere Gäste waren von ihrem Charme angetan und begeistert. Sie konnte nicht nur hervorragend und fesselnd lesen und vortragen, sondern sie hatte wirklich viel Interessantes aus ihrem Leben zu berichten. Und viele konnten ihre Erlebnisse mit Erinnerungen aus der eigenen Kindheit und Jungendzeit vergleichen, sehr oft reagierten sie schmunzelnd oder nickten zustimmend. Ursula Werner ist zwar auch an diesem Abend den meisten Zuschauern durch ihre wunderbare Rolle als alternde Liebhaberin in dem ausgezeichneten Film von Andreas Dresen „Wolke 9“ bekannt und unvergessen, aber viele denken auch an ihre tolle Theaterzeit im Maxim-Gorki-Theater zurück. Dort hatte Ursula Werner Rollen gespielt, die wirklich ganzen Generationen von Zuschauern in Erinnerung geblieben sind. Sie war die Eva in Rudi Strahls Erfolgskomödie „In Sachen Adam und Eva“, die Charlie in der Uraufführung von Ullrich Plenzdorfs „Neue Leiden des jungen W.“ und auch die Mascha in der legendären Thomas Langhoff-Inszenierung der „Drei Schwestern“. In ihrem Buch „Immer geht‘s weiter“ erzählt sie natürlich von ihren schönen Rollen beim Theater, auch in Halle, sowie in vielen DEFA-Filmen und schaut mit dem ihr eigenen Humor auf Berufliches und Privates zurück. Sie erzählt auch besonders emotional über ihre Kindheit in Prenzlauer Berg, das Verhältnis zu ihren Eltern und ihrem Bruder, der auch an diesem Abend anwesend war, ihren schweren Weg zu den Brettern, die die Welt bedeuten. Denn bevor sie auf diesen Brettern jemals stand, lernte sie erst einmal Bretter zu hobeln und Möbel zu bauen. Ja diesen Weg über eine praktische Berufsausbildung sind zu DDR-Zeiten so viele Leute gegangen, aus denen später einmal andere, oftmals eben auch bedeutende wurden. Dass dieser Weg nicht der schlechteste war, konnten auch an diesem Abend wieder viele der Besucher feststellen. Vielleicht hat der geneigte Leser ein wenig Lust bekommen, ist neugierig geworden und greift selbst zu diesem Buch. Ich jedenfalls werde bei Irina Voigt, unserer Filmspezialistin, die einmal im Monat im Kulturbund Treptow besondere Filme vorstellt, den Wunsch zu äußern, „Wolke 9“ in ihr Programm aufzunehmen. War dies doch der Film, für den Ursula Werner die „Lola“ als Filmpreis bekommen hat und der auf dem Filmfestival in Cannes für das ganze Team um Andreas Dresen so viel Erfolg und den Preis „coup de coeur“ – den „Preis der Herzen“ bekam. Gelernt haben wir an diesem Leseabend von Ursula Werner auch: „Wer A sagt, muss auch nackt sagen können“ für diesen besonderen Film. Aber das lesen Sie nun besser selber in ihrem Buch, in dem es wirklich um ein Mädchen vom Berliner Hinterhof bis zum Filmfestival in Cannes geht.

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