„Ausgrenzung aus der Volksgemeinschaft“

Bernd Grünheid

Die Eröffnung einer Ausstellung ist immer wieder ein ganz besonderes Ereignis für diejenigen, deren Arbeit sich in den zur Schau gestellten Exponaten widerspiegelt. Das gilt auch für die Mitarbeiter/innen des Forschungsprojekts Rosa Winkel, die am 26. März 2015 die Ausstellung „Ausgrenzung aus der Volksgemeinschaft – Homosexuellenverfolgung in der NS-Zeit“ im Rathaus Berlin-Treptow, Neue Krugallee 4, präsentierten. Speziell für den Ausstellungsort Treptow-Köpenick waren in den Strafverfolgungsakten des Landesarchivs Berlin mit Adolf Brand, Hermann Zimmermann und Dr. Werner Dünzer / Sigurd Wallstroem drei neue Verfolgungsschicksale (siehe KulturNews 3/15) für die mehr als 40 Tafeln umfassende Ausstellung recherchiert worden. Leider hat der Stadtbezirk bisher noch kein Rosa Winkel-Projekt bewilligt, das sich intensiv mit speziellen Orten der Verfolgung im Bezirk, weiteren Verfolgungsschicksalen aber auch mit Treffpunkten und Orten homosexuellen Lebens beschäftigen könnte.

Zur Eröffnungsveranstaltung war der Bezirk allerdings repräsentativ vertreten. Neben Bürgermeister Oliver Igel (SPD) waren auch mehrere Stadträte und Mitarbeiter des Bezirksamts anwesend. Für den Kulturring eröffnete deren stellv. Vorsitzende Dr. Beate Reisch die Ausstellung. Andreas Pretzel von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und Mitglied der Kulturring-AG Rosa Winkel führte in das Thema Homosexuellenverfolgung im Nationalsozialismus ein. Er erinnerte u.a. auch daran, dass in Friedrichshagen am Rande Berlins 1896 die erste Homosexuellenzeitschrift der Welt herausgegeben wurde – „bis 1933, als der Verleger Adolf Brand seine Tätigkeit einstellen musste und sein Verlag mehrmals durch die Polizei geplündert wurde. Mit der von Adolf Brand 1903 gegründeten ‚Gemeinschaft der Eigenen‘ entstand zudem die zweite einflussreiche Vereinigung homosexueller Männer und ein berlinweit bekannter Treffpunkt. Ein Ort zur Förderung homosexueller Literatur und Kunst,“ so Pretzel. Mit Blick auf die systematische Verfolgung jeglicher gleichgeschlechtlicher Beziehungen in der NS-Zeit, aber auch auf die fortgesetzte Verfolgung solcher Beziehungen im Nachkriegsdeutschland sagte Pretzel geradezu fordernd: „Die Bewältigung der unseligen Vergangenheit ist keinesfalls abgeschlossen.“ Immerhin wurden über 200.000 Männer wegen des Verdachts homosexueller Betätigung in 12 Jahren NS-Diktatur polizeilich verdächtigt und verhört, und schließlich gab es auch über 15.000 Todesopfer. Und das vielfach begangene Unrecht nach dem Krieg stellt beiden Deutschlands kein Ruhmesblatt aus. Deshalb sieht Pretzel auch eine Erwartung an die historische Forschung, die erst am Anfang steht. Auch hier gilt es, so sagt er, „bewusst Verschwiegenes und peinlich Verdrängtes zu überwinden“.Im Mittelpunkt der Wanderausstellung stehen die Biografien der Verfolgten von 1933-1945. Besonders in Berlin mit seiner regen homosexuellen Infrastruktur der Zwanziger- und Dreißigerjahre wurden durch die nationalsozialistische Homosexuellenpolitik Tausende Männer verfolgt, nach § 175 RStGB verurteilt, mit Freiheitsentzug bestraft und kamen in vielen Fällen schließlich in den Lagern ums Leben. Die Ausstellung verdeutlicht den Prozess der immer radikaler werdenden Verfolgung und rückt vor allem die Verfolgten ins Bild. Denn, so Andreas Pretzel, „ohne das Wissen über die Verfolgten bleibt das historische Wissen um die Verfolgung wie auch die Erinnerung und Mahnung abstrakt. Die verschwiegenen Verfolgten erhalten hier einen Namen und ein Gesicht.“

Die Ausstellung entstand 2004 und wird seitdem durch Forschungsprojekte ergänzt. Sie wurde im Deutschen Bundestag und in der Akademie der Künste zur Präsentation der Entwürfe für das Homosexuellen-Denkmal gezeigt. Danach war sie u.a. in Potsdam, Stuttgart, Dortmund, Leipzig sowie an mehreren Orten in Berlin zu sehen, mit ausgewählten Tafeln auch im November 2013 beim 1. LSBTI (Lesben-Schwule-Bisexuelle-Transsexuelle-Intersexuelle)-Wissenschaftskongress „Gleich-Geschlechtliche Erfahrungswelten“. Eine neue Qualität in der Projektarbeit wurde seit einem Jahr dadurch erreicht, dass der Berliner Senat, informiert über die Ziele der AG Rosa Winkel, dem Kulturring Unterstützung gibt, dieses Thema berlinweit zu bearbeiten und seine Zustimmung zu einem Projekt auf der Basis FAV (Förderung von Arbeitsverträgen) für ganz Berlin gab. Damit gibt es erstmals die Möglichkeit, auch berlinweit zu forschen und die Mitarbeiter im ganzen Stadtgebiet einzusetzen. Somit wird es auch eine kontinuierliche Erweiterung und Aktualisierung der Ausstellung geben.

Im Treptower Rathaus, Neue Krugallee 4, 12435 Berlin, ist die Ausstellung bis zum 30. Juni 2015, Mo - Fr 10:00 bis 16:30 Uhr, zu sehen.

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