Ein neuer Beitrag zur Entstehung der Villencolonie Karlshost

Walter Fauck

Durch das Auffinden von 53 Aktenkonvoluten mit einem Umfang von ca. 1,20 lf. m im Fürstlich Fürstenbergischen Archiv in Donaueschingen muss die Karlshorster Geschichtsschreibung in einigen Punkten neu bewertet werden. Vorhanden sind u.a. die monatlichen Arbeitsberichte von Gregorovius an den Finanzverwalteter des Fürsten, Otto Hentig, dazu auch das Bebauungskonzept von Gregorovius für Karlshorst aus dem Jahre 1893 sowie die Finanzierungsvereinbarung der fünf Angehörigen des Deutschen Hochadels für die Errichtung von Karlshorst. Eine gründliche Aktenauswertung wird sich wohl bis zum 125. Ortsjubiläum hinziehen. Sicher ist aber, dass die Kolonie Karlshorst und die Rennbahn Karlshorst von verschiedenen Geldgebern gemeinsam entwickelt wurden. Im Folgenden sei dazu der heute schon zu belegende Zeitablauf zusammengefasst.

Der Verein für Hindernisrennen von 1881 sucht seit Anfang der 1890er Jahre einen neuen Standort für seine Rennbahn. Neben den Treskows sind auch die späteren Geldgeber für die Colonie Karlshorst Mitglieder des Vereins. Der Pachtvertrag für die Bahn in Charlottenburg lief zu dieser Zeit aus und konnte nicht verlängert werden. Im Februar 1891 unternehmen u.a. Graf Dönhoff-Friedrichstein und Rechtsanwalt Hentig den erfolglosen Versuch zur Bildung einer Gemeinnützigen Bauvereinigung als ihren Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot in Berlin. In dieser Zeit initiierte Graf Dönhoff-Friedrichstein auch ein Gesetz zur Förderung des Baues von Eigenheimen. Schon im November 1891 erwirbt S. von Treskow Friedrichsfelde in großer Eile vom Bauern Pahl in den Blockdammstücken 20 ha Land. Der Grundbuchrichter vermerkt im seinem Protokoll „mündlicher Kaufvertrag“. Der Streifen reicht vom Traberweg über die Bahn, entlang der heutigen Hentigstraße bis an den Schlossgarten. Im Frühjahr 1892 reichen Gregorovius und der Verein für Hindernisrennen unabhängig voneinander bei der königlichen Eisenbahn Planungen für ihre jeweiligen Bahnhöfe in der Karlshorster Feldmark ein. Im November 1892 beschließt der Kreistag Niederbarnim den Bau der Kreischaussee von Marzahn nach Oberschöneweide. Die Straße ist Voraussetzung für den Koloniekonsens für Karlshorst und für den Betrieb der Rennbahn.

Im Frühjahr 1892 wird Rechtsanwalt Hentig zum Präsidenten der Fürstlich Fürstenbergischen Kammer nach Donaueschingen berufen. Er ist damit Vermögensverwalter und ab 1896 auch Testamentsvollstrecker des Fürsten Karl Egon zu Fürstenberg. Auch wenn er die Funktion nur bis 1898 ausübte, blieb er doch bis zu seinem Lebensende mit dem Grundstücksprojekt Karlshorst verbunden. Im Dezember 1926 verfasste er noch gemeinsam mit Graf Dönhoff-Freidrichstein und H. Straeter einen kurzen Abschlussbericht zu den Gründstückstransaktionen seit 1894 in Karlshorst. Im Jahre 1893 legt Gregorovius das Entwicklungskonzept für das „Terrain zu Carlshorst“ vor. Es sieht neben dem Bau von Wohnhäusern u.a. auch vor, ein Logierhaus und Stallungen für die Rennbahn zu finanzieren und zu errichten. Das werden dann die ersten Gebäude von Karlshorst vor den Kaiserhäusern. Den Entwurf für die später als Fürstenhaus bezeichnete Anlage stammt von dem als Burgenrestaurator bekannt gewordenen Architekten Bodo Eberhardt (1865-1945). Bei der Finanzierung zu den niedrigst möglichen Kosten für die Kaiserhäuser gab es Auseinandersetzungen zwischen Hentig und Gregorovius: „Es ist unmöglich, ein Haus von 4 Zimmer mit Küche und Zubehör für 3700 Mark zu erbauen. Nach all meinen Berechnungen komme ich bei einem Doppelhause, wie solches im Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät erbaut werden soll, auf 5000 Mark pro Haus und für die einzeln stehenden Häuser auf 5300 Mark Baukosten. Auch aus dem mir übergebenen Material kann ich, trotz der stallähnlichen Ansichten dieser Projecte, kein anderes Resultat finden.“ (Gregorovius an O. Hentig 27.3.1894)

1894 erhält Gregorovius seinen Vertrag vom Fürst zu Fürstenberg auf der Basis einer Gewinnbeteiligung. Gleichzeitig steigt die Berliner „Heimstätten AG“ in das Grundstücksgeschäft ein. Sie erwirbt vom Bauer Weber einen vier Hektar großen Geländestreifen und entwickelt mit Gregorovius den Parzellierungsplan. Beide beantragen gemeinsam den Koloniekonsens, der am 25. Mai 1895 erteilt wird. Später erwirbt die „Heimstätten AG“ von Gregorovius auch noch zwei Baufelder. Die Finanzierungsvereinbarung des Fürsten zu Fürstenberg wurde 1894 mit vier Mitgliedern des Hochadels geschlossen: der Fürstin Dorothee zu Fürstenberg, den Grafen August Dönhoff-Friedrichstein, Otto Dönhoff-Kraftshagen und Heinrich Lehndorf-Preyl. Jeder zahlt einen Betrag von 53.000 Mark ein, zusammen 212.000 Mark. Am Ende wird der Bruttoerlös ca. eine Million Mark betragen. Im Vertrag mit Gregorovius ist die folgende Gewinnbeteiligung geregelt.

„Derjenige Reingewinn, welcher nach Abzug von

a) 5 % Zinsen aller derjenigen Beträge, die von Sr. Durchlaucht in das gemeinsame Unternehmen verwendet werden

b) der im §10 gedachten Auslagen

c) der noch erwachsenden Geschäftsunkosten sich ergiebt, fällt zu 65% an Sr. Durchlaucht, zu 35% an Herrn Gregorovius. Eine Vertheilung von Reingewinn findet indeß erst dann statt, wenn sämmtliche dem Unternehmen von Sr. Durchlaucht zu geführten Kapitalien zurückgezahlt sind.“ (Vertrag Fürst zu Fürstenberg mit Gregorovius vom 29.1.1894)

Hentig hat eine Generalvollmacht des Fürsten für das Vorhaben. Die nicht rechtsfähige „Gesellschaft Eigenhaus“ (Landrat von Waldow an das königliche Amtsgericht II vom 21.10.1895), bestehend aus den drei Repräsentanten Graf Dönhoff, Otto Hentig und Max Krause, organisieren die Errichtung von insgesamt 27 preiswerten Häusern auf den fürstlichen Flächen. Für die Errichtung der Kaiserhäuser ist Rechtsanwalt Hentig der Vertreter der Geldgeber. Kaiser und Kaiserin haben den Landrat von Waldow die nötige Vollmacht erteilt. 1897 entstehen die ersten Bauten von „Eigenhaus“ in der Gundelfinger Straße. Es folgen die vier Häuser in der Hentigstraße. 1903 endet die Zusammenarbeit von Gregorovius mit dem Hause Fürstenberg. Die Restflächen gehen an Fürst Max Egon zu Fürstenberg. Graf Dönhoff-Friedrichstein hatte 1901 den Treskowschen Streifen entlang der heutigen Hentigstraße gekauft. 1905 wurde zur Verwaltung aller Restflächen die „Bodengesellschaft Karlshorst GmbH“ gegründet. Deren alleinige Mitglieder waren Graf Dönhoff-Friedrichstein, Dr. von Hentig und Direktor Heinrich Straeter, der auch Geschäftsführer wurde. Mit dem Einverständnis der Beteiligten ging die Gesellschaft 1912 planmäßig in Liquidation, die 1920 abgeschlossen wurde. Ca. zwei Hektar Restflächen um die Kreuzung Marksburgstraße / Sangeallee verblieben im Besitz der Familie des Grafen Dönhoff-Friedrichstein bis ins Jahr 1952.

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