theater-friedens-tour: lyon – berlin – skopje

Fanny Schorr

Was bedeutet Frieden? – Diese Frage der Regisseurin Saskia Thomas, Leiterin vom freien theaterwerk gavroche, einem Mitglied des Kulturrings in Berlin e. V., steht im Raum. Es geht ihr darum, dass Frieden viel zu wenig gedacht, kreiert und geliebt wird – als zu normal betrachtet wird. Bilder zum Krieg lassen sich schnell finden… sie sind krass, ergreifend, aufrüttelnd, anklagend. Doch, was ist mit dem Frieden? Was fällt uns Beeindruckendes zum Frieden ein?

Die Frage wird auf Mazedonisch, Albanisch, Englisch und Französisch übersetzt. Dann beginnen 30 junge Menschen aus unterschiedlichen Ländern Europas, ehemals gegeneinander Krieg führender Nationen, Theaterbilder zu entwickeln. Zwei Männer, die sich küssen. Umarmungen, ein tanzender Kreis. Junge Männer, die ein ängstliches Mädchen beschützen. Religionen, die sich trotz ihrer verschiedenen Götter und Wahrheiten miteinander im Frieden befinden. Ein Offizier, dem die Truppen nicht gehorchen und einfach nicht mehr Krieg spielen. Im Raum entstehen Bilder von Liebe und Lachen, die über die kulturellen Grenzen hinausgehen und zeigen, was Frieden bedeutet. Doch – über allem lauert auch ein Schatten…

Die immer währende Bedrohung des Friedens im Kleinen, wie im Großen.

Das deutsch-französisch-mazedonische Theaterprojekt, für das hier geprobt wird, welches im Rahmen der Initiative „100 Jahre Erster Weltkrieg – 100 Projekte für den Frieden in Europa“ des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) gefördert und vom Centre Français in Zusammenarbeit mit Peuple et Culture, der Plattform für deutsch-französische Kunst und LOJA Center for Balkan Cooperation und dem Freien Theaterwerk Gavroche organisiert und durchgeführt wird, stellt sich dieser und weiteren Fragen der Friedensarbeit.

Innerhalb eines Jahres finden drei Begegnungen in drei verschiedenen Ländern statt. Jeweils eine Woche probt die internationale Gruppe Jugendlicher und beschäftigt sich mit vergangenen Konflikten und der Versöhnung im Sinne eines besseren Umgangs mit der Zukunft und setzt dieses anschließend in Szene. Denn Zukunft entwickelt sich aus der Gegenwart, und Vergangenes ist immer auch ein Stück gelebte Gegenwartsgeschichte. Es ist erklärte Absicht, dass die Ergebnisse der Projektwoche öffentlich präsentiert werden.

Lyon-Berlin-Skopje

Ich selbst, Fanny Schorr, war Teil der zweiten Begegnung, die im Oktober 2014 in Berlin stattfand. Die erste Begegnung in Lyon, unter der Regie von Jèrome Sauvion, lag bereits hinter uns. In dieser Etappe wurden Mini-Storys aus den Familien der jungen Leute in einem Straßentheaterprojekt umgesetzt.

Diesmal hatten wir vom theaterwerk gavroche die Gastgeberrolle und erlebten unsere eigene Stadt aus der Perspektive eines Reisenden. Die Proben und auch die Performance fanden im neuen Saal des Centre Francais de Berlin statt. Es war eine berauschende Woche. Zeiten des Lachens und der Fröhlichkeit, in denen Freundschaften entstanden und wir voneinander lernten, standen neben solchen des Weinens und der Tiefe, in der wir die Traurigkeit und Verzweiflung über die Abgründe der Menschheitsgeschichte und -gegenwart miteinander teilten.

Saskia Thomas nannte das Projekt: „100 Schritte in Richtung Erster Weltfrieden“ und ging mit uns vier Tage lang viele dieser Schritte. Das Theater hat uns geholfen, uns selbst, unsere Wünsche und Träume, unsere Ängste und Erfahrungen auszudrücken und miteinander zu teilen. In diesen wenigen Tagen erschufen wir das Kunstwerk „All you need is war? All you need is love? – Bitte entscheiden sie jetzt“, eine Collage, die 45 Minuten füllte, uns selbst stark beeindruckte und unser Publikum tief berührte.

Zum Abschluss sang der ganze Saal mit uns „All you need is Love“ – und der ganze Abend war noch angefüllt mit Umarmungen und guten Gesprächen.

Im April werden wir uns wieder begegnen. Das nächste Mal unter der Regie von Bujar Lomar. In Mazedonien. Wir alle freuen uns auf das Kommende und sind gespannt, was diesmal entstehen wird.

Archiv