Kleine Dinge – ganz groß

Klaus Wiesner

Wer kennt noch die Eisblumen an den Fenstern im Winter? Wer hat sich an den feinen Strukturen der Kristalle und deren wundersamen Verbindungen erfreut? Oder die Schneeflocken, bestehend aus Tausenden von einzelnen, wunderschönen Elementen! Das kann man zwar auch mit bloßem Auge sehen, aber sie richtig zu erkennen und bewundern, geht nur bei einer deutlichen Vergrößerung. Das alles kann die Fotografie ermöglichen – insbesondere die spezielle Art der Makrofotografie.

Dazu gehört mehr als nur das richtige Betätigen des Auslösers des Fotoapparates. Neben technischen Besonderheiten, wie einem speziellen, passenden Objektiv, ist das richtige Gespür für die Feinheiten der Objekte ausschlaggebend für die Wirkung des Fotos.

Ein Käfer ist ein kleines Tier. Wer hat aber schon die kleinen Beine oder gar deren Behaarung bestaunt? Blumen strahlen als großes Beet in der Sonne. Ohne die kleine Biene auf einer der Blüten – gäbe es dann noch im nächsten Jahr so viele Blumen? Viele solcher kleinen Dinge bergen als große Bilder manche Überraschung.

Schauen Sie sich nur beispielhaft diese vier Fotos an:

Auge um Auge

Hier blickt der Makro-Fotograf mit der Optik seiner Kamera direkt in das menschliche Auge. Es ist ein jugendliches Auge. Weil die Pupille einem konvexen Spiegel gleicht, ist bei genauem Hinsehen auch immer das jeweilige Blickfeld des Auges zu erkennen. Und was erkennen wir? Da sind die Wimpern, das Augenlid, Iris und Pupille und das Tränenwärzchen, das unserem Augapfel ständig die nötige Flüssigkeit zuführt. Im Atelier entstandene Fotos erkennt man leicht durch die erkennbare Lichtquelle und die Kamera, Außenaufnahmen zeigen das Umfeld und andeutungsweise auch Kamera plus Hand des Fotografen rund um die Pupille.

Feucht-kalter Wintertag

Zu einer Zeit, wo sich der Kleingärtner eher zu Hause in beheizten Räumen nützlich macht, bekommen die seinen Garten umgebenden Zaunpfähle die volle Wucht des nasskalten Wetters zu spüren. Bei ein paar Minusgraden sind dann auch die Kunststoffkappen der Pfähle unterkühlt, so dass auf ihnen die Feuchtigkeit erstarrt und die Kappenoberflächen zu einer Art Eiskristall-Pudelmützen heranwachsen. Schön anzusehen. Steigen die Temperaturen wieder, ist es mit dem besonderen Eiszauber schnell vorbei.

Der Drahtseilakrobat

Es ist einfach bewundernswert, wenn man im Herbst im Garten einer Kreuzspinne zusehen kann, wie sie sich in einem Drahtseilakt an ihrem soeben selbst produzierten „Draht“ zu einem tiefer gelegenen Punkt abseilt und diesen dort fixiert. Anschließend wird wieder hochgekrabbelt, ein neuer Draht hergestellt usw. Irgendwann ist ein ziemlich reißfestes Fangnetz für zumeist kleine fliegende Insekten entstanden. So gesehen, halten uns die Spinnen manchen Quälgeist vom Leibe und sichern sich ihre Nahrungsgrundlage, sind also aus menschlicher Sicht nützlich.

Im Spannungsfeld

Bei flüchtigem Betrachten dieses Bildes denkt man zuerst an Ufos oder Ähnliches. In Wirklichkeit sind es einfache Regentropfen, die nach dem Durchzug eines nächtlichen Regenschauers am folgenden Morgen auf dem politurgepflegten Autodach liegen geblieben sind. Die Lufttemperatur ist noch zu niedrig, um sie schnell verdunsten zu lassen. Etliche der sonst als kleine Perlen erkennbaren Tropfen haben aber bereits „Genossenschaften“ gebildet, die alsbald – dann übergewichtig – auf dem gewölbten Autodach mit breiter Spur das Weite suchen werden.

Wenn Ihr Interesse geweckt ist und Sie noch mehr dieser kleinen, großen Wunder sehen wollen, schauen Sie vorbei beim Galeriefrühstück am 10. Dezember im Studio Bildende Kunst in Lichtenberg. Oder versuchen Sie es einfach selbst einmal mit der Makrofotografie.

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